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  Deshalb gibt es keine Philosophie mehr. Es gibt keinen Sinn, keinen Sinngeber und keinen Gott. Darin ist letztlich das Abendland zum Ende gekommen. Das muss man philosophisch so sagen. Danach kam nichts mehr und wird es auch nichts mehr geben. Der Osten spricht sehr viel über das Nichts. Aber nicht phi­lo­so­phisch, sondern als eine Erfahrung. In­ter­es­san­ter­wei­se: der Westen endet letzten Endes in der Depression und Sinnlosigkeit.


„Die Bibel ist ein Fälschungs­dokument“

Die Philosophen des Ni­­hi­­lis­­mus sagen: Selbst­­mord ist vor einem sinnlosen Leben die letzte Antwort der Philosophie – wofür soll ich leben? Das Nichts im Osten in der Meditation zu erfahren, ist beschrieben als reinste Glück­se­lig­keit. Das ist ein so fun­da­men­ta­ler Unterschied. Dass ich mich damit auseinander gesetzt habe, dass ich seit 30 Jahren meditiere. Wenn man da eine Leere oder ein Nichts erfährt, ist es reines Glück. Das hat mit Depression oder Sinnlosigkeit überhaupt nichts zu tun. Und diese Aus­­ein­­an­­der­­se­­tzung zwischen Logik im Westen, dem Nihilismus, und Meditation, Leere und Glückseligkeit im Osten sieht äußerlich gleich aus, ist aber in der Sache vollkommen unterschiedlich. Diese Aus­ein­an­der­se­tzung damit reizte mich. Deshalb geht es in meinem Buch neben dem spannenden Krimi auch um die Frage, um das Nichts und wie gehe ich damit um.
Dein Buch hat noch eine dritte Komponente. Der Un­ter­ti­tel "Die Schule von Athen" weist darauf hin. Nachdem der Leser die Hintergründe des Klerus kaum verdaut hat, wird er von der Philosophie über das Göttliche ge­for­dert. Es wühlt einen auf und regt unweigerlich zum Nachdenken und Diskutieren an. Hast du die Fragen für dich klären können?
Ich würde sagen: Ja. Die Position des Westens, wenn man die Bibel erforscht, die die Grundlage einer Gottesaussage in der abendländischen Kirche darstellt, wurde so durchlöchert, dass man sagen muss, sie ist ein Fälschungsdokument. Es gibt nicht eine einzige Aussage von Jesus, die authentisch ist, weder von ihm noch von einem Augenzeugen. Wir können darüber keine Aussage machen. Die Gottesbeweise, zeigte Emanuel Kant, funktionieren nicht. Eine Aussage, es gibt einen Gott oder etwas Göttliches, ist nicht möglich. Das ist eine Position, die nicht mehr rückholbar ist. Ich halte sie für endgültig. Aber, wenn es einen Gott nicht gibt, gibt es etwas Göttliches, als einen glückseligen Zustand, der den Tod nicht kennt? Darum geht es in der Religion letztendlich. Diese Frage ist eindeutig mit „Ja“ zu beantworten. Es gibt im Osten Erleuchtete, die diesen Zustand beschreiben als reine Glückseligkeit. Das ist uns im Westen sehr fremd. Aber

 

das sind auch Leute die meditieren. Der Westen erfand das Gebet. Der Osten die Meditation. Sie kennen kein Gebet. Sie sagen, es gibt keinen Gott. Es gibt nichts und nie­man­den. Aber dieses Nichts zu erfahren ist reinste Glückseligkeit. Das gibt es aus allen Traditionen, ob Gautama Buddha ist oder Laotse oder Nansen oder im Zen-Buddhismus oder im Hin­du­is­mus oder Ramana Maharshi und so weiter. Eigentlich tausende von Erleuchteten, sagen in diesem Punkt, dasselbe, dass es einen glückseligen Zustand gibt. Es gibt keinen Gott und den Tod gibt es auch nicht.
Ergänzend dazu: Ich setzte mich mit dieser Frage auch einmal intensiv auseinander: Gibt es einen Sinn im Le­ben? Ich las viel darüber und fragte Leute, was sie für einen Sinn in ihrem Leben sehen. In­ter­es­san­ter­wei­se hatte jeder eine andere Aussage. Mein Resümee war: Es gibt keinen Sinn im Leben. Man könnte es sogar auf die Spitze treiben: Das Leben ist sinnlos. Jeder gibt sich seinen Sinn selbst oder übernimmt ihn in Fa­mi­lien­tra­di­ti­on von den Vorfahren.
Richtig. Dem stimme ich zu. Aber, ich war auch an dem Punkt, es ist ein Schmerz der Sinnlosigkeit dahinter. Die Frage ist viel­leicht auch, wenn ich sehr glücklich bin, stelle ich die Sinnfrage nicht. Ich stelle sie nur, wenn ich unglücklich bin. Die Frage, gibt es einen Sinn, führt zu weiterem Unglück. Die Frage ist also vielleicht anders zu stellen. Wenn es den Sinn nicht gibt, gibt es ein glückliches und erfülltes Leben? Dann wird die Sinnlosigkeit bedeutungslos und sie tut nicht mehr weh. Ich kann lieben, lachen, feiern, ein Abenteuer erleben, tauchen gehen, Bücher schreiben, ein Kind großziehen. Was immer das Glück für dich ist. Es ist individuell. Man muss es für sich herausfinden. Dies können einem die Eltern nicht sagen oder die Priester oder jemand Drittes. Das ist nicht Sinnlosigkeit, sondern Freiheit. Und das ist etwas Wunderbares, wenn man damit umgehen kann.
Das ist das Dilemma unserer Zeit, dass der Glaube, den die Kirche vorschrieb, wegfiel als äußeres Korsett und die meisten Menschen mit der ge­won­ne­nen Freiheit nicht umgehen können. Denen fehlt der Halt von außen, weil sie den inneren noch nicht gefunden haben.
Richtig. Das ist es. Wenn der äußere Halt wegfällt kann man eigentlich nur haltlos oder formlos oder auch würdelos werden. Die einzige Alternative ist dann, nach innen zu gehen und dort eine Kraft zu finden, von der her ich lebe und von der ich meine Würde ausdrücke und meine Freude finde. Ich glaube, der Auftrag ist nicht, Sinn zu finden, sondern Glück. Das ist zwar etwas sehr Individuelles, betrifft aber jeden Menschen gleich. Wie der Einzelne das einlöst, ist jedem sein Reifungsprozess. Wichtig ist, dass man bewusst lebt und die Verantwortung dafür übernimmt. Sonst könnte man ja alle umbringen. Anders Behring Breivik (2011 Massenmörder aus Norwegen) hat dies durchexerziert. Der Mörder in meinem Buch  

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