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© Quadro Nuevo

  SIBIEN: Sie reisten zur Wiege des Tangos nach Buenos Aires weil Sie den Ursprung spüren wollten. Lernten Sie den Tango so zu spielen, wie er dort zelebriert wird oder interpretierten Sie ihn neu?
MULO FRANCEL: Wir versuchten möglichst viel von dem, was dort mit dem Tango passiert, was wiederum äußerst vielschichtig ist, zu verstehen, aufzugreifen, einzubauen und dann aber auch schon wieder neu zu interpretieren, weil wir ein anderes In­stru­men­ta­rium haben. Da muss sich dann eine Harfenistin fragen: Was machen die Gitaristen und was kann ich davon über­neh­men? Also müssen wir zwangsläufig neu interpretieren. Ich muss mich fragen: Was macht ein Sänger und wie übertrage ich das auf mein Saxophon?
Es gab z.B. einen Sänger, der mir sehr gut gefällt. Oft kann man nicht sagen warum einem etwas gefällt. Es spricht einem einfach an oder nicht. Roberto Goyeneche, auch genannt El Polako, weil er Blond war, war ein Sänger, der die musikalische Zeit total ver­zog. Man würde sage, dass er nicht im Takt ist, dass er ständig heraus fällt. Aber er trug es mit solch einer Lässigkeit vor, dass es mich faszinierte. Das ist ein Charakteristikum des Tangos, dass er sehr flexibel mit dem Tempo umgeht. Da wird ausgebremst,

 

dann wieder gemeinsam angezogen und wieder in einem ganz anderen, als dem Ursprungstempo weitergespielt, um dann wie­der total langsam zu werden. Und dieses ge­mein­sa­me Atmen in der Musik ist etwas, dass wir in Buenos Aires erst so richtig lernten, weil wir jeden Abend weg gingen und diese Musiker beim Glas Wein oder Cuba Libre hörten.
Diese Atmosphäre erlebt man nicht, wenn man sich solche Aufnahmen im Internet zu­sam­men­sucht. Man muss das in dieser Atmosphäre körperlich erleben.
Dann saßen wir am nächsten Tag im Übungsraum beieinander und probierten bestimmte Stellen nachzuspielen. Es fließt nicht automatisch in uns hinein, man muss es proben. Jeder Musiker alleine kann das schon. Dass aber fünf Musiker das gleichzeitig machen, ohne auseinanderzubröseln, das ist das Interessante. Wenn es dann sitzt, kann ein Musiker sich mit seinem Instrument noch mehr herausnehmen, langsamer zu sein als die anderen, die ihn dann ziehen, was sich aus seiner Perspektive noch läs­si­ger anhört. So als würde er es nicht nötig haben im Takt zu blei­ben. Das ist etwas, was ich ganz spannend finde, was im Mi­kro­be­reich des Tempos passiert. Und da geschieht in Buenos Aires ganz viel. 

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